"Future of Finance": Wohin geht die Reise für die Finanzabteilung?
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Interview: Wie sieht die Zukunft der Finanzabteilung aus?

Die Finanzabteilung steht am Scheideweg: Kann sie eine strategischere Rolle einnehmen oder wird sie weiter in den Hintergrund gedrängt? Die „Future of Finance“-Initiative sucht nach Lösungen.

Viele Menschen in Deutschland blicken besorgt in die Zukunft, berichtete vor gut einem Jahr eine Allensbach-Umfrage. Daran scheint sich subjektiv nicht viel geändert zu haben; die Unsicherheit ist vielerorts ungebrochen. Auch in der Wirtschaft ist man sich ungewiss; zahlreiche Unternehmen stehen durch die Digitalisierung mitten im Umbruch. Was bedeutet das für die Finanzabteilung? Wie sieht ihre Rolle in Zukunft aus?

Dieser Frage geht eine Initiative meiner Prophix-Kollegen in England nach: das Future of Finance-Projekt, das 2016 gestartet wurde. Ich habe mit James Hanson, dem hierfür federführenden Mitarbeiter, über das im deutschsprachigen Raum noch weitgehend unbekannte Projekt gesprochen.

Michael Kreibohm: James – Klasse, dass wir endlich über dieses spannende Thema sprechen können! Vielleicht stellst dich als erstes kurz unseren Lesern vor.

James Hanson: Gerne! Ich bin VP of Business Development für Prophix im Vereinigten Königreich. Als solcher versuche ich, unser Wachstum durch Partnerschaften zu fördern und leite außerdem das UK-Marketing. Für Letzteres arbeite ich sehr eng mit unseren Kollegen in Nordamerika zusammen, um gemeinsam Kampagnen für Marketing und thought leadership umzusetzen.

Michael Kreibohm: Vergangenes Jahr hast du auch die sogenannte Future of Finance-Initiative ins Leben gerufen, von der unsere deutschen Leser vermutlich zum ersten Mal hören. Könntest du kurz schildern, was es damit auf sich hat?

Wenn Finanzabteilungen heute eine strategischere Rolle in ihren Organisationen einnehmen wollen, müssen sie auch den Blick in die Zukunft beherrschen.

James Hanson, Initiator der 'Future of Finance'-Initiative
James Hanson | Foto: Prophix

James Hanson: Also, das Konzept der Future of Finance speist sich primär aus der Erkenntnis, dass sich die Finanzabteilung an sich auf einer Art evolutionären Reise befindet. Früher lag die Aufgabe der Finanzabteilung vor allem darin, Daten zu sammeln, Informationen bezüglich GuV oder Bilanz zu erstellen oder anderweitig Aussagen über die Rentabilität des Unternehmens zu treffen. Es ging hauptsächlich um den Blick in den Rückspiegel. Wir wissen aber auch, dass das nicht mehr ausreicht. Wenn Finanzabteilungen heute eine strategischere Rolle in ihren Organisationen einnehmen wollen, müssen sie auch den Blick in die Zukunft beherrschen. Es gibt eine Reihe Finanzabteilungen, die das schon tun. Damit liefern sie einen deutlichen Mehrwert gegenüber der reinen Vergangenheitsbetrachtung. Diese Entwicklung spiegelt sich auch in der Rolle des CFOs, dessen Wichtigkeit in den letzten 20 Jahren etwas abgenommen hat. Laut einer McKinsey-Studie waren zum Beispiel nur 20% der CEOs in Nordamerika zuvor CFO. In Europa sind die Zahlen sogar noch geringer, etwa 5-10%. Wenn wir uns dann für dieselbe Zeitspanne die Entwicklung des CIOs vor Augen führen, sehen wir das Gegenteil. CIOs haben technologiebedingt einen rasanten Aufstieg erlebt und sind heute oft die Entscheidungsträger in Unternehmen. Mancherorts ist der CIO quasi die rechte Hand des CEO und in der perfekten Position, um dessen Nachfolger zu werden. Mit dem Aufkommen von Technologien wie Prophix und anderen BI- bzw. CPM-Tools gibt es heute aber Möglichkeiten für den CFO, mehr Verantwortung zu übernehmen und sein eventuell etwas angekratztes Standing im Unternehmen wieder aufzupolieren. Und genau dieses Zurückerobern einer führenden strategischen Rolle sehe ich als Future of Finance – eine Zukunft, in der die Finanzabteilung wirklich als die zentrale Anlaufstelle für Themen wie Entscheidungsfindung, proaktive Datenanalyse oder Szenariomodellierung gesehen wird… alles Dinge, die die Finanzabteilung meines Erachtens zu bieten hat, wenn sie von den richtigen Technologien unterstützt wird.

Michael Kreibohm: Warum ist das deiner Meinung nach ein Thema, für das sich Finanzverantwortliche interessieren sollten?

James Hanson: Unsere Welt verändert sich schnell als je zuvor, bedingt durch Technologie. Es gibt ein unglaubliches Wachstum an Daten. Ich bin der festen Überzeugung, dass sich die Finanzabteilung mithilfe der richtigen Software als Wächter über die Analyse dieser Daten positionieren kann – vorausgesetzt, sie handelt schnell. Für die meisten Finanzabteilungen ist Datenanalyse ein alter Hut. Die hierfür notwendigen Fähigkeiten sind schon längst da. Für die Reise in Richtung Future of Finance braucht es aber noch mehr. An einigen Stellen besteht also definitiv noch Nachholbedarf. Lass mich ein Beispiel geben. Stellen wir uns einen Buchhalter vor. Er hat seit Jahr und Tag quasi nichts anderes gemacht als die GuV-Rechnung… Ist-Daten sammeln, in die Tabellenkalkulation eintragen, Ergebnis ermitteln. Wenn wir von ihm jetzt verlangen, sich mit dem CFO zusammenzusetzen und meinetwegen eine detaillierte Marktanalyse durchzuführen, um herauszufinden, wo wir am besten ein neues Vertriebsteam aufbauen sollen, ist er wahrscheinlich ziemlich überfordert. Dafür braucht er ein komplett anderes Skillset. Klar, es gibt einige Überlappungen, aber wenn es plötzlich um business partnering geht, heißt das, ganz anders zu kommunizieren und Daten anders präsentieren zu können. Das verlangt auch nach unternehmerischem Denken und Geschäftsanalyse – und zwar in Ergänzung zu seinen Basis-Skills aus der Datenanalyse. Unternehmen müssen also in Fortbildung investieren, damit neue Fähigkeiten dazukommen. Auch durch gezieltes Recruiting können Lücken geschlossen werden. Aber unter dem Strich ist es wichtig, eine gesunde Balance innerhalb des Teams herzustellen – und das ist in dieser Form einfach Neuland für die meisten Finanzabteilungen.

 Wenn es plötzlich um business partnering geht, heißt das, ganz anders zu kommunizieren und Daten anders präsentieren zu können.

Michael Kreibohm: Lass uns mal ein bisschen konkreter werden. Was habt ihr im Rahmen des Future of Finance-Projekts entwickelt, das zur Lösung dieses Problems beiträgt?

James Hanson: Wir haben sehr viele Inhalte gemeinsam mit unseren In-House-Experten hier bei Prophix erarbeitet. Durch unsere weltweit gut 3.000 Kunden bekommen wir unmittelbare Einblicke und können miterleben, wie Finanzabteilungen weiterentwickelt werden. Zusätzlichen haben wir eng mit unabhängigen Vordenkern wie dem Zukunftsforscher Tom Cheesewright und Gary Simon von FSN zusammengearbeitet, um diese Reise in Richtung Future of Finance zu konkretisieren. Als erstes wollten wir dabei wissen, wie es aktuell um Finanzabteilungen steht. Danach haben wir die drei Bereiche, für die die Finanzabteilung unseres Erachtens nach die Hauptverantwortung trägt, ausgearbeitet. Einer davon ist der Umstieg von Compliance auf Smart Compliance.

Fähigkeiten wie Daten-Analyse werden in Zukunft immer wichtiger für die Finanzabteilung. | Foto: shutterstock

Michael Kreibohm: Okay, was heißt das?

James Hanson: Na ja, Compliance ist fast schon ein Status, kein bloßer Prozess mehr. Wenn man zum Beispiel Wirtschaftsprüfer im Haus hat oder es um M&A geht, müssen oft die Ist-Daten herhalten, um Fragen zu beantworten à la „Wo stehen wir heute in puncto Rentabilität?“. Das mal so eben mit Tabellenkalkulationen zu beantworten, wird schwierig. Mit CPM-Technologie kann man solche Themen aber quasi in Echtzeit verfolgen – und obendrein sind die Zahlen auch präziser. Das ist der erste Bereich. Als zweiten Bereich haben wir die Umstellung von klassischem Reporting auf “Operational Intelligence”. Das heißt einerseits, agiler zu sein und andererseits Detail-Informationen geben zu können, die über einen klassischen Flat-File-Report hinausgehen. Operational Intelligence heißt, Daten in Echtzeit analysieren zu können, per Drill-Down herauszufinden, was die Ursache für eine Steigerung oder einen Trend ist und so weiter. Darin liegt meines Erachtens die größte Herausforderung für Finanzabteilungen: direkt mit anderen Geschäftsbereichen zusammenzuarbeiten und deutlich bessere Einblicke in die Unternehmensdaten zu ermöglichen – und zwar in Echtzeit. Der dritte Trend, den wir ausgemacht haben, ist die Notwendigkeit, die Planung zur Voraussicht (Anm. d. Red.: englisch „Foresight“) weiterzuentwickeln. Für viele Unternehmen ist Planung aktuell nämlich ein ziemlich eindimensionaler Ablauf, bei dem man die Abteilungsleiter der Reihe nach bittet, die Budgets für das kommende Jahr einzureichen. Ich glaube aber, dass man das deutlich gemeinschaftlicher gestaltet kann, indem man die existierenden Daten nutzt, um Vorhersagen über zukünftige Trends zu treffen. Oft wird das noch mit Tabellenkalkulationen versucht, was aber zu Ungunsten der Genauigkeit und der Effizienz geht. Mit CPM-Software kann man das zum Glück deutlich entschlacken und vereinfachen. Unterm Strich kann man dadurch schnellere und präzisere Aussagen über die Zukunft treffen. Wer würde das nicht wollen? Basierend auf diesen drei Bereichen haben wir dann unser Manifest ausgearbeitet, in dem wir unsere Sicht der Future of Finance beschreiben. Als nächstes haben wir uns gefragt, „Okay, wie können wir das jetzt in hilfreiche Ratschläge für die Finanzabteilung verwandeln?“. Das Ergebnis ist ein sogenannter Audit – ein Selbsttest, den Finanzverantwortliche oder Controller machen können, um ihr Unternehmen im Hinblick auf die Future of Finance mit anderen aus derselben Branche vergleichen zu können.

Wenn diese Entwicklung nicht stattfindet, besteht ehrlich gesagt eine reelle Chance, dass andere Abteilungen diese Rolle einnehmen und das Thema Datenanalyse für sich beanspruchen. Dann wird die Finanzabteilung stark an Bedeutung verlieren.

Michael Kreibohm: Was kannst du unseren Lesern zu diesem Audit noch verraten?

James Hanson: Das Ziel des Audits war, aus dem, was wir zur Future of Finance recherchiert hatten, konkrete Handlungsempfehlungen abzuleiten, und zwar maßgeschneidert für das jeweilige Unternehmen. Um das zu erreichen, haben wir den Audit in die drei zuvor genannten Bereiche unterteilt. Für jeden Bereich muss man im Multiple-Choice-Verfahren 6 oder 7 Fragen beantworten – zum Beispiel, wie im Unternehmen berichtet und geplant wird. Das dauert in etwa 15 Minuten. Nach der Beantwortung laufen einige Berechnungen ab, die basierend auf den jeweiligen Antworten einen personalisierten Bericht erstellen. Dieser Bericht enthält unter anderem einen allgemeinen Benchmark, der ausdrückt, wie weit das betreffende Unternehmen unserer Einschätzung nach auf dem Weg zur Future of Finance ist. Außerdem gibt der Bericht konkrete Ratschläge, wie sich das Unternehmen in diesem Bereich verbessern kann. Das sind praxisnahe Tipps, die man sofort umsetzen kann, ohne jemals wieder mit uns sprechen zu müssen. Zu guter Letzt gibt es noch einen Benchmark, der einen Vergleich innerhalb der Branche zieht. Wenn man zum Beispiel ein Telekommunikationsunternehmen ist, erfährt man das Durchschnittsergebnis innerhalb dieser Branche. Somit hat man ein greifbares Ergebnis und eine erste Einschätzung, wie man innerhalb seiner Branche dasteht. Damit kann man ins nächste Team-Meeting gehen und brainstormen, wie man als Finanzfunktion noch besser werden kann.

Michael Kreibohm: Das hört sich für mich definitiv so an, als wäre das auch in anderen Märkten relevant, zum Beispiel in Deutschland.

James Hanson: Auf jeden Fall! Natürlich gibt es hier und da regionale Unterschiede im Hinblick auf die Struktur der Finanzabteilung, aber grundlegend stehen alle denselben Herausforderungen gegenüber. Es geht für alle darum, sich so weiterzuentwickeln, dass die Bedürfnisse und Erwartungen des jeweiligen Geschäftsmodells jetzt und in Zukunft erfüllt werden können. Und wenn diese Entwicklung nicht stattfindet, besteht ehrlich gesagt eine reelle Chance, dass andere Abteilungen diese Rolle einnehmen und das Thema Datenanalyse für sich beanspruchen. Dann wird die Finanzabteilung stark an Bedeutung verlieren. Das ist ein weltweites Phänomen, deshalb: ja, das ist auf jeden Fall relevant.

Michael Kreibohm: Ich nehme an, deine Empfehlung an unsere Leser ist es, unbedingt den Audit zu machen. Hast du hierzu noch Tipps, die du loswerden willst?

James Hanson: Erst mal: Ja, ich finde tatsächlich, dass jeder den Audit machen sollte und es gibt meines Erachtens keinen Grund, es nicht zu tun. Meine Wunschvorstellung ist, dass jeder ihn zu Ende macht, infolge den 18-seitigen Bericht erhält und ihn mit seinen Kollegen teilt und diskutiert, wie man besser werden kann. Ich garantiere, dass wertvolle Ideen für das jeweilige Unternehmen dabei herausrauskommen.

Michael Kreibohm: Alles klar, James, noch mal vielen Dank für das Interview! Hoffentlich konntest Du ein paar unserer Leser überzeugen, auch am Audit teilzunehmen.

James Hanson: Es war mir eine Freude! Und ja: Je mehr Finanzverantwortliche am Audit teilnehmen, desto höher wird die Aussagekraft. Ich hoffe also auch auf rege Beteiligung der deutschsprachigen Leser.


Das Interview wurde aus dem Englischen übersetzt und für bessere Lesbarkeit leicht editiert.

Michael Kreibohm

Michael Kreibohm hat Anglistik und BWL in Stuttgart und St. Louis studiert. Seit Kindestagen ist er von Software begeistert und arbeitet seit 2012 im BI/CPM-Markt. Als Marketing Manager für die DACH-Region kümmert er sich darum, die Interaktion mit allen Prophix-Zielgruppen im deutschsprachigen Raum zu fördern.

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